Seit bereits sechs Wochen einziger Ausblick für vier einer Brandlegung verdächtigte Studenten: der Hof des Grauen Hauses.

Foto: Standard/Newald

Wien - Seit nunmehr sechs Wochen atmen drei Wiener Studentinnen und Studenten nur gesiebte Luft, seit einem Monat auch noch ein vierter. Sie sitzen in Untersuchungshaft im Grauen Haus, weil sie mit zwei in der Nacht auf 27. Juni 2010 in Brand gesteckten Mistkübeln vor der Filiale des Arbeitsmarktservice in der Wiener Redergasse in Verbindung gebracht werden.

Die laut einem im Internet verbreiteten Bekennerschreiben "direkte Aktion" war antikapitalistisch gemeint. Fotos von nach dem Anschlag zeigen den AMS-Eingangsbereich mit deutlichen Brandspuren an den Außenwänden des Gebäudes. In den Akten ist von rund 100.000 Euro Schaden die Rede: Eine Brandlegung, die den Verdächtigen jetzt Ermittlungen nach einem Strafgesetz gegen organisiertes Verbrechen einbringen könnte, das zum Schutz gegen gewalttätige Staatsfeinde eingeführt worden ist: Terroristische Vereinigung laut Paragraf 278b, mit bis zu 15 Jahren Haftandrohung, im Fall von Mord sogar 20 Jahren.

Das zumindest schließt Michaela Schnell, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, im Gespräch mit dem Standard nicht aus: Am kommenden Montag, dem 23. August, beim vierten Haftprüfungstermin der Vier, werde "wohl darüber entschieden, ob der Verdacht auf Paragraf 278b ausgeweitet wird oder nicht", sagt sie.

Derzeit wird gegen die drei Kunststudentinnen und den Hörer an der Haupt-Uni, die der linken, selbstorganisierten Uni- und Politszene zuzurechnen sind, wegen Brandstiftung, Sachbeschädigung sowie verbrecherischem Komplott laut Paragraf 277 StGB (Strafrahmen: bis zu fünf Jahre Haft) ermittelt, wie derStandard.at schon Anfang Juli berichtete. Ob jetzt noch Paragraf 278 b hinzukommt, stehe mit "Erwägungen über das Motiv der Tat" in Zusammenhang, meint die Staatsanwaltsprecherin. Mit Fragen wie: "Was wollten sie damit erreichen? Sind's nur 'depperte Burschen und Mädchen' oder steckt vielleicht mehr dahinter?"

Wochenlang observiert

Freunde und Unterstützer weisen hingegen auf die ihrer Ansicht nach fehlende Verbindung zwischen Tat und den nach vier Hausdurchsuchungen Festgenommenen hin. In den bisher eingesehenen Akten - ein Großteil wurde Beschuldigten wie Verteidigung bisher vorenthalten - bestünden keine Hinweise eines konkreten Tatverdachts.

Dafür sei den Schriftstücken zu entnehmen, dass einer der Verdächtigen bereits seit mindestens Anfang Mai 2010 im Auftrag des Landesamts für Verfassungsschutz (LVT) observiert worden sei. Wochenlang sei ihm auf all seinen Wegen ein Polizist in Zivil gefolgt

Für Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser wäre indes die Ausweitung der Ermittlungen auf den Terrorparagrafen "ein beängstigendes Signal". Dieser solle - laut Gesetzestext - Personen bestrafen, deren Taten eine "schwere oder längere Zeit anhalte Störung des öffentlichen oder des Wirtschaftslebens" zur Folge haben und die "Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern". "Das Anzünden von Müllkübeln ist damit meiner Ansicht nach nicht gemeint", meint Steinhauser. (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 20.08.2010)